Markendienst in W&V: Amazon baut Prime zur eigenständigen Marke aus

Olaf Oldigs sieht die neue Markenstrategie als einen geschickten Schachzug.

13. Juni 2018, Text: Annette Mattgey, W&V

Blau statt orange: Amazon passt die Prime-Logos aller seiner Angebote an. Der Verweis auf Amazon verschwindet.

Mit einem Markenwert von rund 208 Mrd. Dollar ist das die drittwertvollste Marke der Welt: Amazon. Deswegen trugen bisher auch alle Ableger den Namen Amazon, etwa Amazon Prime Video und Amazon Prime Now. Deutsche Amazon-Prime-Kunden zahlen knapp acht Euro im Monat (oder 69 Euro im Jahr) und erhalten dafür ihre Lieferungen nicht nur schneller, sondern können auch Filme und Serien streamen und E-Books ausleihen. 

Jetzt kappt Amazon nach und nach die Verbindung zwischen Amazon und Prime. Prime soll als eigene Marke positioniert werden, und zwar auch außerhalb der bisherigen Amazon-Kundschaft. 

Die Entscheidung hängt mit einer Akquisition zusammen, die Amazon schon vor einem Jahr getätigt hat: Amazon kaufte die Bio-Supermarktkette Whole Foods. Mit Preisreduzierungen und Rabatten will Amazon die Läden aus der Edel-Ecke holen und für jedermann attraktiv machen. 

Olaf Oldigs, geschäftsführender Gesellschafter der Strategieagentur Markendienst, kann der Amazon-Entscheidung einiges abgewinnen: "Höchste Zeit, dass Amazon das macht. Die Grenzen zwischen den Kauf-Kanälen lösen sich für Kunden (und nicht nur für Amazon-Kunden) doch überall auf." Er sieht noch einen weiteren positiven Aspekt: "Wenn Prime-Produkte und Angebote in den Supermärkten landen, mutiere ich als Kunde zu meinem eigenen Prime-Zusteller. Das vermeidet Verpackung und strafft die Logistik."

Für Oldigs ist Prime bereits jetzt eine starke Marke: "Da die Zweitmarke Prime bereits im Inkubator aller Amazon-Accounts etabliert wurde, sehe ich kein Risiko." Durch die Ausweitung der Services auf andere Bereiche könne die Marke weiter an Strahlkraft gewinnen. "Das Problem beginnt erst, wenn Prime-Kunden das liebgewonnene, gefühlt exklusive, all-inclusive bei Prime weggenommen wird."

Bei Ebay hat sich eine ähnliche Strategie bereits ausgezahlt: "Als Ebay das schrabbelige Flohmarktimage auf dem Weg zur höherpreisigen Kaufplattform für Neuware im Weg stand, wurden kurzerhand die Ebay-Kleinanzeigen ausgelagert. Was damals in der Ebay-Community für heftiges Flügelschlagen sorgte, erweist sich heute als kluger Move der Marke, der neue Zielgruppen an Ebay herangeführt hat."